„Wir sollten nicht alles glauben, was wir denken“ – der Satz, der von dem großen Münchner Komiker Karl Valentin stammen könnte, beschreibt einen Zustand, der in der modernen Psychologie längst in allen Facetten erforscht wurde – die Fehlbarkeit unseres Verstandes, die zugleich ein Quell der Inspiration für das Theater ist.
„Wir Menschen mögen komplexe Denkaufgaben und Veränderungen nicht so sehr. Das ist anstrengend und macht schlechte Laune“, sagt Theatermacher Oliver Nolte, und bezieht sich dabei auf Theorien des Nobelpreisträgers Daniel Kahneman. „Wir möchten gerne, dass alles stimmig und schlüssig ist, dass Harmonie besteht und Probleme leicht zu lösen sind.“ Nur allzu gerne greifen wir deshalb in die Kiste der Vereinfachung, wollen Altes bewahren, statt uns objektiven Fakten und notwendigen Veränderungen zu stellen. Das führt zu kognitiven Verzerrungen, falschen Urteilen und Entscheidungen.
Da sind die Kriege und terroristische Gewalt gegen friedlich lebende Menschen. Doch, statt die Aggressoren klar zu benennen, werden die Opfer, während sie mit Bomben beworfen werden, zum Frieden aufgerufen. Was stimmt da nicht?
Da werden autoritäre, menschenverachtende Staatsformen mit verklärt romantisierendem Blick verherrlicht oder die BRD mit solchen Unrechtsstaaten gleichgesetzt. Was stimmt da nicht?
Da sind rechtskräftig verurteilten Politiker, welche die BRD in ihrer jetzigen Form, als freiheitliche, liberale Gesellschaft hassen, sie abschaffen möchten, die aber von einer zunehmenden Anzahl von Wählern in voller Überzeugung gewählt werden. Wähler, die sich gerne von völlig vereinfachten Lösungen und Lügen blenden und verführen lassen und leichtfertig bereit sind, ihr Leben in Freiheit mit Füßen zu treten ... Da ist die Forderung nach einer wertbasierten Realpolitik – im gleichen Atemzug genannt mit der pauschalen Verurteilung ganzer Bevölkerungsgruppen und der Forderung nach härteren Abschiebungen. Was stimmt da nicht?
Da sind die erdrückenden wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass
wir Menschen es sind, welche die Klima-Katastrophe verursachen, und unsere Unfähigkeit, konsequent darauf zu reagieren. Stattdessen lassen wir uns lieber von gefälligem Halbwissen oder unwahren Behauptungen den Blick auf das Wesentliche vernebeln und das Vertrauen in unsere, wahrhaft vorbildliche, Demokratie zerstören. Was stimmt da nicht?
Es sind die großen Komödianten, die uns mit solchen Fragen konfrontieren können. Die sich nicht über andere erheben und lustig machen, sondern ihre eigene Fehlbarkeit zur Schau stellen – genial scheitern, zur Belustigung von uns Zuschauern. Karl Valentin war einer von ihnen. „Er erlaubt es uns Zuschauern, uns die eine oder andere Absurdität unseres Handelns einzugestehen, aber gleichzeitig zu wissen, dass es zutiefst menschlich ist“, sagt Oliver Nolte.
In einer Uraufführung im Rahmen des Wintertheater 2024/25 pielt Nolte eine clowneske Figur, die sich mit Elementen von Slapstick, Komik und Poesie humorvoll an aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen abarbeitet. Mit Texten von Karl Valentin und Oliver Nolte.
Eröffnet wird das Wintertheater 2024/25 am 25. Oktober mit Eugen Ruges „Ruhestörung“.
Oder – um noch einmal Karl Valentin zu bemühen:
Müssten wir nicht endlich einen Theaterzwang verhängen, nachdem uns die Schulpflicht ja offenbar nicht weitergebracht hat?